Was mach ich nur an meinem freien Wochenende? Klar, radfahren. Aber nur so rumdümpeln ohne Ziel ist doof und deshalb: auf zum Roten Turm nach Halle.

Wie ich darauf gekommen bin, weiß ich nicht mehr genau. Ist aber auch egal. Freitag mittag, ich hatte Überstunden zur Verfügung, mit dem Elektroesel nachhause gefahren, umgezogen und ruff uffn LongDistanceRenner. Wechselklamotten, Zahnbürste und Powerbank hatte ich im Gepäck. Der Plan war, am nachmittag bis Halle zukommen, dort zu übernachten und den darauffolgenden Tag zur Heimreise zu nutzen.

Es lief sehr gut. Knapp 20°C, trocken, leichter Rückenwind. Immer mit der Saale mit, flog ich an Dornburg, Camburg und Saaleck vorbei und ehe ich es mich versah, hatte ich die erste Bratwurst in Bad Kösen. Nach kurzem Zwischenstopp bei der Familie meines Bruders, ging es weiter in Richtung Norden.

Der Nabendynamo hatte die Powerbank gut gefüllt und so konnte ich bedenkenlos auf Lichbetrieb umschalten als kurz nach dem Geiseltalsee die Dunkelheit einsetzte. Wahoo und Smartphone würde ich später nachladen. Die letzten Kilometer flogen unter den Reifen dahin und irgendwann tauchte im falen Licht der Straßenbeleuchtung der Rote Turm auf. Ziel errreicht.

 Jena - Halle: 101,74km - reicht für heute. Das Hotel war schnell gefunden und ich freute mich auf die Dusche. Nur noch schnell die orange Flitzpiepe zu Bett bringen, dann war der Tag zuende.

Der nächste Morgen präsentierte sich, wie der vorherige Abend - warm und trocken. Aber zunächst wartet Frühstück unten. Ich hatte Zeit und so gab es keinen Grund zur Hektik. Frisch gestärkt, flugs die Klamotten zusammenpacken und die Pferde satteln. Kaum auf der Straße - ganz leichter Sprühregen. Na? Der wird doch nicht?
Nein, wird er nicht - der Wind blies die Wolken zügig auseinander. Was mir zu dem Zeitpunkt noch nicht klar war, Wind und Tom waren heute in entgegengesetzter Richtung unterwegs.

Unterwegs fühlte sich ein Kerlchen auf einem Canyon-Gravelbike bemüßigt, mich übers Equipment auszufragen. Wir pedalierten und laberten 'ne gute halbe Stunde. Die Apidura Frontrolle schlabberte gelangweilt an seinem Lenker und selber schrauben war wohl nicht so seins. Ja soll ich denn jetzt auch so 'ne Arschrakete kaufen? Naja, er schien sich seiner Sache noch nicht ganz so sicher aber er würde schon seine Erfahrungen machen. Irgendwann musste er abbiegen und mich ziehen lassen.

Mein Credo lautet ja normalerweise: Plane deinen Trip und folge diesem Plan. Aus irgendeinem Grund wich ich heute davon ab und fuhr eigene Wege in Richtung der "Arche Nebra". Ein Schild hatte mich aufmerksam werden lassen. Na und wenn ich schon mal hier bin...

 

Leider hatte das Besucherzentrum wegen Umbauarbeiten geschlossen und so blieben nur ein Foto der Außenanlage und 30km Umweg durch den bunten Herbstwald. Grrr... und das bei dem Wind. Na egal, Kollege Wahoo brachte mich wieder auf Kurs und weiter in Richtung Artern. Der Imbiss dort hatte geschlossen und so blieb nur das Restaurant "Aldi" zum Auftanken.

Was soll ich sagen, die Sonne kam raus und half tüchtig, die klatschnassen Klamotten zu trocknen. Weiter geht's in Richtung Heimat. Nächster Stopp: Sömmerda. Und der tat auch richtig Not. Die Kilometer von gestern steckten in den Beinen und heute zeigt der Zähler auch schon wieder drei Stellen an. Ich ließ mir Zeit mit Kaffee und Bockwurst und Cola.

Immer der Unstrut entlang, immer aufm Deich, immer die Nase in den Wind. So langsam gehts an die Substanz. Ich lümmelte mich in den Auflieger, schaltete den Kopf aus und ließ die Beine einfach machen. Nicht drüber nachdenken, einfach die Zeit aufm Rad und die Natur genießen. Du kriegst mich heute nicht, Wind.
Ich passierte den Alperstedter See bei Erfurt, wohlwissend, dass sich zwischen Marbach und Alach noch ein finaler Drecksanstieg in Vorfreude schon die Hände rieb. Nein, auch du kriegst mich heute nicht. Ich bin entspannt und ohne Zeitdruck und wenn ich für das Stück 'ne Stunde brauche, dann ist das eben so.

Die letzten Kilometer lagen nun vor mir. Nach Gotha rein, spurtet mein Geist schon voraus: oh, ich brauche noch Abendessen. Also schnell noch 'ne Pizza im lokalen Supermarkt besorgt und ein Sockenkompliment abgefasst. Das einzige der gesamten Tour im übrigen. Am Ende standen da 170,51 km für den heutigen Tag. Der Tom war kaputt und hatte keinen Bock mehr auf radfahren (Anm. d. Red.: letzteres hat sich nun, da ich diese Zeilen schreibe, schon wieder gebessert.). Das Material hat super durchgehalten. Das Wochenende war sinnvoll genutzt.

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